Toleranz – oder ist doch nicht alles so rosarot?

In den letzten Tagen beschäftigte mich wieder einmal der Toleranzgedanke innerhalb und außerhalb der Szene. Oder besser gesagt, eigentlich zwei Fragen dazu: sind/müssen SMler tolerant sein, weil sie einer Minderheit angehören und wie aufgeschlossen ist unsere "Umwelt" BDSM bzw. Homo/ Transsexualität.

Nun ersteres ist für mich nicht schon seit vorige Woche leicht zu beantworten – ich hab das Gefühl, SMler sind noch weniger tolerant als Vanillas. Nein, stimmt natürlich nicht. Aber sie sind genauso viel oder genauso wenig tolerant wie alle anderen Menschen. So fordern für sich selbst und ihre Vorlieben uneingeschränkte Akzeptanz, ABER: Sie schließen die Hälfte der Menschheit von Parties aus (maledom/femdom – Parties), sie gegen sogar soweit, Transsexuelle von auszuschließen. Sie schauen auf Homosexuelle verächtlich herab (Mutter zu sechsjährigem Kind: ich geh auf den Life Ball, aber bitte sag nix weiter, da sind lauter kranke Leute), haben enorme Berührungsängste mit Transidenten, können nicht mit dem Lebensstil anderer ("ich bin was besseres, weil ich hab Kinder"). Fetischisten können nicht mit Flagelanten, aktive Männer können nicht mit aktiven Frauen, trampling – Fans nicht mit Bondage – Liebhabern und und und – sagt MUSS das so sein?

Ich bin ehrlich, es macht mich traurig und wütend, wenn ich höre, daß sich männliche Subs davor fürchten, bei einer femdom Party eventuell von einer Transdomme vergewaltigt zu werden (wie war das mit SSCF?); es macht mich ganz fuchtig, wenn SMler zwar auf den Life Ball gehen, weil man ja so gerne in die Krone möchte, aber Schwule krank finden; es macht mich wirklich grantig, wenn SMler die Regenbogenparade als reinen Spaß empfinden, aber nicht für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen (für die ja der CSD ursprünglich gedacht war) sind.

Selbstvernatürlich gibt es auch Dinge, mit denen ich nicht so kann, abgesehen von den Dingen, die sowieso verboten sind (Nazi Uniformen), sind Kaviar oder exzessiven Schnitzerein nicht so meins, oder extreme Atemkontrolle und bestimmte D/S Spielchen. Wenn ich das auf einer Party sehe, dann geh ich halt. Aber mir würd nie einfallen, die Ausübenden als krank zu bezeichnen und nicht auf eine Party zu lassen. Oder Homosexuellen irgendwelche Rechte zu verweigern, oder Transidente nicht in ihrem Wunschgeschlecht zu bestätigen.

WARUM ist Toleranz so schwer für manche Leute?

Ist es schlicht Dummheit, oder haben die Angst vor was?

Warum fordern SMler absolute Toleranz für ihre eigenen Praktiken und lehnen andere als "bäh" ab?

Es ist und bleibt mir ein Rätsel!

 

Zweiteres, nämlich die Reaktionen der Umwelt auf BDSM, Homosexualität und Transidentität, unterschätzten viele aus der Szene gewaltig. So richtig klar geworden ist mir das unlängst wieder anhand einer Diskussion, wo es sich um die Notwendigkeit von BDSM – Selbsthilfegruppen drehte. Da kam ein Statement a lá "BDSM ist bereits toleriert", "SM Neigungen interessiert sowieso keinen mehr", "Menschen, die BDSM endlich toleriert haben wollen, machen sich lächerlich", und, schlußendlich, "auch geoutete SMler haben keine Probleme zu erwarten".

Die Leute muß ich leider enttäuschen. Weder Homosexuelle, noch Transgenders und schon gar nicht BDSMler werden in der ganzen Bevölkerung toleriert, geschweigedenn anerkannt. Es gibt nachwievor Menschen, die erhebliche Probleme im Beruf bekommen, wenn sie sich (leichtfertig) outen oder (zwangs-)geoutet werden, es gibt nachwievor nette Nachbarn, die sich bemüßigt fühlen, Polizei und Jugendamt zu beschäftigen, und es gibt leider auch nach wie vor Richter, Jugendfürsorger, Psychologen, die meinen, SMler und Homosexuelle sind krank, unfähig Kinder zu erziehen, gehören zwangstherapiert.

Ein paar der "netten" Aussagen kann man hier nachlesen.

Nun, ich kann natürlich nicht jeden "weltverbessern". Aber ich erwarte mir von jedem Menschen, ein gewisses Quantum an Selbstreflexion und gesundem Menschenverstand, eben nicht zu diskriminieren, eben nicht sexuelle Neigungen als Waffe für Angriffe aller Art zu verwenden, eben nicht Menschen nach ihrer Sexualität zu beurteilen. Umso mehr, als sie selbst für ihre Art zu leben Akzeptanz und Toleranz einfordern.

Und für das werd ich auch in Zukunft eintreten, auch wenn man mich dann "linkslinke Emanze" schimpft ....