Sorgerecht

Gesetzestext

Obsorge bei Scheidung der Eltern § 177 ABGB

1. Wird die Ehe der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt, so bleibt die Obsorge beider Eltern aufrecht. Sie können jedoch dem Gericht - auch in Abänderung einer bestehenden Regelung - eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge vorlegen, wobei die Betrauung eines Elternteils allein oder beider Eltern vereinbart werden kann. Im Fall der Obsorge beider Eltern kann diejenige eines Elternteils auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt sein.
2. In jedem Fall einer Obsorge beider Eltern haben sie dem Gericht eine Vereinbarung darüber vorzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Dieser Elternteil muß immer mit der gesamten Obsorge betraut sein.
3. Das Gericht hat die Vereinbarung der Eltern zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht.

Entscheidung des Gerichts §177a ABGB

1. Kommt innerhalb angemessener Frist nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der Eltern eine Vereinbarung nach § 177 über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes oder über die Betrauung mit der Obsorge nicht zustande oder entspricht sie nicht dem Wohl des Kindes, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt eine gütliche Einigung herbeizuführen, zu entscheiden, welcher Elternteil künftig allein mit der Obsorge betraut ist.
2. Sind beide Eltern gemäß § 177 nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe mit der Obsorge betraut und beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt eine gütliche Einigung herbeizuführen, nach Maßgabe des Kindeswohles einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen.


Herrschende Lehre und Rechtsprechung

Bei Scheidung der Ehe bleiben beide Eltern weiterhin mit der Obsorge des Kindes betraut, sofern die Eltern eine Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthaltsort des Kindes ("Heim erster Ordnung") vorlegen. Die Eltern können aber auch die alleinige Obsorge eines Elternteils vereinbaren, das Gericht hat diese Vereinbarungen zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entsprechen.

Kommt jedoch innerhalb angemessener Frist keine dem Wohl des Kindes entsprechende Vereinbarung zustande, so hat das Gericht von Amts wegen über die alleinige Obsorge eines Elternteils zu entscheiden. Gleiches gilt, wenn ein Elternteil später die Aufhebung der gemeinsamen Obsorge verlangt.

Vor dieser Entscheidung ist das Kind möglichst persönlich zu hören (§ 182b AußStrG). Die Scheidungsgründe allein sind keine relevanten Zuteilungskriterien (Gschnitzer/Faistenberger, Familienrecht 105, OGH in EFSlg 36.014), ebenso darf die sexuelle Ausrichtung keine Rolle in der Beurteilung der Fähigkeit zur Kindeserziehung spielen.

Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur gemeinsamen Obsorge existiert noch kaum.


Meine Meinung

Die gemeinsame Obsorge wurde als "Quantensprung" in der Familienpolitik gefeiert. Ein solcher (nämlich im unsichtbaren Bereich angesiedelt) ist er meiner Meinung nach auch, ich halte diese Regelung eher für kontraproduktiv. Eltern, die sich bewußt waren, daß man zwar als Ehepartner geschieden ist, aber als Eltern weiter bestehen bleibt, konnten auch bisher vernünftige Regelungen bezüglich der Sprößlinge treffen. Die neue gemeinsame Obsorge kann von einem Partner als Druckmittel für Unterhalt o.ä. mißbraucht werden, das Wohl des Kindes muß aber auch hier unbedingt im Mittelpunkt stehen.

Mehrmals hat der OGH festgestellt, das die Scheidungsgründe keinen Ausschlag für das Sorgerecht geben dürfen, d.h. auch wenn die Frau schuldig geschieden worden ist, muß ihr das Sorgerecht übertragen werden, wenn ihre Qualifikationen als Mutter feststehen. Auch die sexuelle Ausrichtung darf keinerlei Berücksichtigung im Obsorgeverfahren finden. Kommt im Verfahren die Sprache darauf, würde ich diese Fragen sofort abblocken ("Was hat das mit dem Wohl des Kindes zu tun?") und mich gar nicht auf solche Diskussionen einlassen. Ein Statement wie: "Ich lebe meine Neigungen nur an den Tagen aus, an denen das Kind den Kontakt zu seinem Vater (Mutter) pflegt", schafft für den Richter die notwendige Klarheit. Auch Eltern brauchen sich nicht ihrer Vorlieben schämen, wenn sie dem Wohl des Kindes angemessen ausgelebt werden.

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